Torment: Tides of Numenera ist der geistige Nachfolger des Klassikers Planescape: Torment. Das Old-School-RPG wurde via Kickstarter finanziert, von inXile Entertainment entwickelt und mit Hilfe von Techland Publishing fertig gestellt. Im Grunde gilt für dieses Spiel das gleiche wie für seinen geistigen Vorgänger, ein tolles Spiel das aber mit 1.000%iger Sicherheit nicht jedem gefallen wird.
Lesen, Verstehen noch (viel) mehr lesen
Dieses RPG spaltet die Rollenspielgemeinde und ganz ehrlich wir können das vollkommen nachvollziehen. Ich selbst benötigte ein paar Stunden um mit dem Spiel warm zu werden. Elend lange Textwüsten breiten sich vor dem Zocker aus. Videos oder sonstigen modernen Firlefanz sucht man hier vergebens. Wer nicht fähig ist sich auf das geschriebene Wort einzulassen um sich dadurch in die hervorragende Spielwelt hineinziehen zu lassen der wird mit Torment: Tides of Numenera keinen Spaß haben. Wer sich aber darauf einlässt bekommt eine tolle Geschichte, Charaktere die mit Tiefe punkten, genial erzählte Nebenquests aber auch ein teilweise nicht perfekt ausbalanciertes Kampfsystem – wobei sich (fast) jede Quest auch ganz ohne Kampf erledigen lässt.
Wie man sieht punktet die Welt durch ihre Stimmung und durch ihre herrlichen Texte, wer ein Effektfeuerwerk oder optische Eleganz erwartet denn müssen wir enttäuschen. Die Worte sollen Bilder in eurem Kopf entstehen lassen, wir können es nicht oft genug sagen … seid ihr dazu nicht fähig wird das Spiel für euch ein Fehlkauf werden.
Die Charaktererstellung
Gefühlt fallen wir ewig in den Abgrund, ganz nebenbei beantworten wir ein paar Fragen was auch zeitgleich unsere ersten Entscheidungen im Spiel darstellen. Wir absolvieren ein „kleines“ Tutorial und dann können wir unseren Charakter noch dezent anpassen. Insgesamt stehen uns drei verschiedene Charakterklassen zur Auswahl nämlich: Glaive (Elitekrieger), Nano (Magiebegabter) und Jack (Abenteurer-Allrounder). Wir haben uns für einen weiblichen Nano entschieden mit der zusätzlichen Charaktereigenschaft „aufmerksam“. Wir sind die letzte Verstossene und selbst wenn wir einen Kampf verlieren können wir einfach nicht sterben! Das und noch viel mehr müssen wir auf unserer Reise durch Torment: Tides of Numenera aufklären.
Wie ihr sehen könnt verfügt das RPG neben der kleinen aber feinen Charakterauswahl auch nur über lediglich drei Grundwerte. Das sind Kraft, Schnelligkeit und Intellekt. Dazu gesellen sich zu Beginn zwei Fähigkeiten und ein paar Fertigkeiten.
Das Kampfsystem selbst ist rundenbasiert und taktisch gehalten. Wir können entweder zwei Mal gehen oder zuerst gehen und dann angreifen oder umgekehrt. Jeder Angriff und jeder Zauber kann durch Einsatz der Grundwertpunkte erhöht werden. Je mehr Punkte ihr investiert desto höher steigt die Prozentzahl für einen erfolgreichen Angriff. Hier gilt es gut abzuwägen, wer all seine Punkte sofort verschwendet bekommt den Gegner eventuell nicht erlegt. Die wenigen Kämpfe werden dadurch sehr spannend. Ein paar der Auseinandersetzungen können aber auch frustrierend sein da unser kompletter Trupp nach einem einzigen Gegnerangriff aus den Latschen kippt. Im Grunde genommen macht das nichts weil wir können ja nicht sterben und oft werden dadurch andere Story-Verzweigungen sichtbar.
Ihr wollt doch bestimmt wissen warum unser Held nicht sterben kann oder? Nun gut wir sind ein Parasit, wir sind eine abgestoßene Hülle einer Gottheit also im Grunde genommen sind wir Müll aber verdammt nochmal wir sind unsterblicher Müll und wir werden diese Welt, oder uns selbst, oder doch alle – findet es selbst heraus – vor dem Kummer retten.
Unsere Charakterpunkte können wir durch diverse Tränke wieder hochziehen oder wir suchen uns eine Übernachtungsmöglichkeit. Überhaupt solltet ihr mit offenen Augen durch die Spielwelt laufen. Es gibt so viele Geheimnisse, Ausrüstungsgegenstände und gut verstecke Quests und Rätsel zu lösen. Wir empfehlen euch einen herzhaften Druck auf die „Tab-Taste“ dann werden alle Interaktionsmöglichkeiten markiert.
Die Gruppenzusammenstellung
In Torment: Tides of Numenera ist unser Held aber nicht allein unterwegs, wir „bauen“ um ihn herum eine Heldengruppe auf. Kurzfristig war unsere Heldin sogar ganz allein unterwegs, dank unseren göttlichen Entscheidungen haben wir uns nicht gerade beliebt gemacht. Wir konnten aber neue Verbündete finden und abhandengekommene überreden zu uns zurück zu kehren. Überhaupt ist die Gruppendynamik eine fantastische Komponente in diesem Spiel. Die Jungs und Mädels streiten untereinander, manche mögen sich dafür aber ganz Doll was zu ziemlich witzigen Gesprächen führen kann.
Ihr solltet aber darauf achten das euch die restlichen Mitglieder der Gruppe gut ergänzen. Es hilft schließlich nichts wenn sich alle mögen aber ihr dann vier Nano-Charaktere in der Gruppe habt. Meist muss nämlich nicht unser Held alles ganz allein machen, wir schalten fröhlich durch die Gruppe und suchen jemanden der es besser kann. Schon steigt unsere Prozentchance auf 100 und wir sind zufrieden und fahren die Quest erfolgreich ein.
Keine Angst auch wir haben die ersten Spielstunden fast nur Bahnhof verstanden aber durch die Gespräche und Quests – ich weiß es kann anstrengend sein aber lest das alles! – kommt langsam Licht in die ganze Angelegenheit.
Unser Equipment
Besonders viele Ausrüstungsgegenstände (Waffen & Rüstung) dürfen unsere Helden nicht tragen aber dafür punktet Torment: Tides of Numenera mit Cypher und Artefakten. Cypher sind besonders mächtige Gegenstände (Bombe), Zauber (Beschwörung von Begleitern) oder Boni (in Gesprächen) die wir allerdings nur ein einziges Mal ausführen können, dann sind sie verbraucht und lösen sich in Luft auf. Bei den Cypher müsst ihr auch darauf achten das ein Charakter nicht zu viele mit sich herum trägt sonst erhaltet ihr Mali auf diverse Charakterwerte.
Die Artefakte hingegen lassen sich ausrüsten und immer wieder verwenden. Durch sie erhalten wir beispielsweise Boni auf Angriff oder können mehr Cypher-Gegenstände mitführen. Abschließend gibt es noch kuriose Gegenstände die keinerlei Sinn erfüllen aber uns ordentlich viel Geld bringen wenn wir sie beim Händler verkaufen.
Wir werden immer wieder vor immens schwierige Entscheidungen in Torment: Tides of Numenera gestellt. Unser geschulter Zockerverstand und unser Herz geraten immer wieder in Konflikte. Eigentlich wäre dies die einzig moralisch richtige Entscheidung aber verdammt nochmal dann wird meine Gruppe nicht besser. Sollen wir das Waisenkind Rhin mit auf unsere Reisen nehmen obwohl sie vollkommen nutzlos ist weil sie einfach ein Kind ist und nicht viel zu den Kämpfen beitragen kann. Sollen wir sie zurück lassen und sich selbst und ihrer Obdachlosigkeit überlassen? Oder sollen wir sie sogar an Sklavenhändler verkaufen?
Ich habe mich schließlich dazu entschieden Rhin mitzunehmen nur um sie bei der nächstbesten Möglichkeit aus der Gruppe zu werfen und sie durch einen stärkeren Mitstreiter zu ersetzen. Moralisch äußerst fragwürdig aber spielerisch sinnvoll.
Spielspaß:
Fazit:
Torment: Tides of Numenera ist ein zweischneidiges Schwert das nicht jedem Spieler gefallen wird. Ihr müsst euch darauf einlassen, gerne Texte lesen und damit klar kommen das ihr wenig kämpfen werdet. Dafür erhaltet ihr eine originelle Spielwelt mit unterschiedlichen Dimensionen und grandios designte Quests. Das RPG ist vollkommen anders als alle anderen aktuellen Titeln und dadurch wurde Planescape: Torment für viele zum Klassiker auch hier stehen die Chancen dafür nicht schlecht auch wenn es sicher nicht jeder so sehen wird…